Der Karagwe-Distrikt befindet sich so abgelegen im äußersten Nordwesten Tansanias, dass es nicht möglich ist, Ananas als frische Früchte zu exportieren. Deshalb trocknet das Fair-Handels-Unternehmen Matunda Mema die Ananas seiner Bauern und verkauft sie als Dörrobst nach Europa. Die Trockenananas sind so lecker, dass man, einmal mit dem Naschen angefangen, kaum wieder aufhören kann.
Porotazi Mahuta hat uns in sein Haus gebeten, genauer ins Wohnzimmer mit Couchgarnitur, Holzstuhl und losen Kabeln an den Wänden: „Früher haben wir in einem Lehmhaus gewohnt. Dank des Fairen Handels konnten wir dieses Haus aus Blocksteinen bauen. Karibu! Seid herzlich Willkommen! Auf dem Dach sind Solarpanels, die Strom für Licht und für unsere Handys liefern. Und im Garten haben wir eine neue Latrine und einen riesigen Tank, in dem wir Regenwasser sammeln. Der Tank ist eine große Erleichterung für meine Frau und meine Kinder. Sie müssen nun nicht mehr so häufig den weiten Weg zum Fluss laufen, um Wasser zu holen.“ Porotazi lebt mit seiner Familien in Kishoju, einem 3.000-Seelen-Ort, in dem nur ein paar Häuser an der Hauptstraße ans Stromnetz und die Wasserversorgung angeschlossen sind. Wie Porotazi, so sind die meisten Dorfbewohner Bauern und ihre kleinen Höfe befinden sich abseits der geteerten Fernstraße in hügeliger Berglandschaft. In 1.256 Meter Höhe ist es mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 25 Grad Celsius ganzjährig warm. Es regnet genügend, aber nicht zu viel. Kurz: das tropische Savannenklima ist für den Anbau von Ananas ideal!
Die Ananas ist ein Beerenfruchtverband
Nach der Begrüßung im Wohnhaus ging Porotazi gemeinsam mit uns auf sein Ananasfeld: „Ananaspflanzen kann man ganz einfach selber ziehen. Man setzt einen Seitentrieb ins Erdreich ein und daraus entwickelt sich dann die Pflanze. Toll ist, dass wir ganzjährig Schösslinge einpflanzen und Ananas ernten können. Das bedeutet, dass wir ganzjährig ein Einkommen haben“. Wir ließen unseren Blick übers Feld gleiten und entdeckten Ananaspflanzen in allen Entwicklungsstufen: Aus einem Schössling entsteht innerhalb eines Jahres eine 80 Zentimeter hohe Rosette mit grün-grauen, harten, stachligen Blättern. Im Zentrum der Blattrosette bildet sich dann ein wunderschöner, zapfenförmiger Blütenstand mit roten Hochblättern und 100 violetten Einzelblüten, die sich zu einer einzigen Ananas entwickeln. Wenngleich eine reife Ananas wie eine Einzelfrucht ausschaut, ist sie ein Beerenfruchtverband, der vier Monate nach der Blüte geerntet wird.
Porotazi erhält bei Abholung bar einen hohen Preis für seine Ananas
Ein Mal pro Woche geht Porotazi durch sein Feld und schneidet alle reifen Ananas mit einem scharfen Messer ab. Kaum dass wir mit der Wochenernte zurück beim Wohnhaus waren, nahm Porotazis Ehefrau Happyness eine Ananas entgegen, entfernte Schopf und Schale und bot uns das gelbe Fruchtfleisch zum Probieren an. Es war süß mit leicht säuerlicher Note und sehr saftig. Welch ein Genuss! Eine ideale Erfrischung zwischendurch! „Früher habe ich meine Ananas für wenig Geld an Zwischenhändler verkauft und sie waren für den lokalen Markt bestimmt. Seit 2018 arbeite ich mit Matunda Mema zusammen und erhalte für meine Ananas einen Preis, der weit über dem lokalen Marktpreis liegt. Im Übrigen ist meine Ananas bio-zertifiziert, was bedeutet, dass ich von Hand Unkraut jäte und mit Kompost dünge. Ihr habt ja gesehen, dass ich meine Ananas nicht in Monokultur anbaue. Für unseren Eigenbedarf wachsen auf dem Feld auch Kochbananen, Bohnen und Mais“, erzählte uns unser Gastgeber stolz. Zeitgleich fuhr ein Kleinlaster von Matunda Mema auf seinen Hof. Nach einem fröhlichen „Jambo! Hallo, wie geht’s?“ wurden Porotazis geerntete Ananas routiniert begutachtet, gezählt, verladen und gegen ein Bündel tansanische Schilling eingetauscht. Direkte Barzahlung bei Abholung der Früchte ist eine Grundsäule der Zusammenarbeit von Matunda Mema mit seinen 200 Ananasanbauern.
Porotazis Ananas wird getrocknet exportiert
Wie Porotazi, so leben auch die anderen Matunda-Mema-Bauern in und um Kishoju im äußersten Nordwesten Tansanias. Der Karagwe-Distrikt ist so abgelegen, dass man Ananas nicht als frische Früchte exportieren kann. Daressalam, wo 95 Prozent des tansanischen Außenhandels abgewickelt werden, ist nämlich über 1.600 (Schotter-)Straßenkilometer entfernt! Um die Jahrtausendwende herum kam Siegfried Hermann auf die Idee, die Ananas der Kleinbauernfamilien getrocknet nach Europa zu verkaufen, um so ihre prekäre Einkommenssituation zu verbessern. Der ehemalige evangelische Diakon gründete 2001 das Fair-Handels-Unternehmen Matunda Mema und errichtete in Kishoju eine solarbetriebene Trocknungsanlage, zu der der Kleinlaster allwöchentlich Porotazis Ananasernte bringt.
Matunda Mema trocknet die Ananas mit Solarstrom
Manuell werden bei Matunda Mema die angelieferten Ananas gewaschen, geschält, geviertelt, entstrunkt, in ein Zentimeter dicke Scheiben geschnitten und auf Gitter gelegt. „Nach diesen vorbereitende Arbeiten kommen die Ananasscheiben in unser Herzstück, den Trockner, in dem sie in 24 Stunden bei 41 Grad Celsius bis maximal 45 Grad Celsius auf eine Restfeuchte von 15 Prozent getrocknet werden. Getrocknet wird bei uns mit Solarstrom. Auf dem Dach haben wir eine 50-kW-Photovoltaik-Anlage“ erklärte uns Veronica Philip. Sie ist die Geschäftsführerin von Matunda Mema und dozierte weiter: „Unsere Trockenananas haben Rohkost-Qualität. Sie sind ungezuckert, unbehandelt, bio-zertifiziert und richtig gesund. Durch das schonende Trocknungsverfahren bleiben die Nährstoffe erhalten. Unsere Trockenananas sind reich an Vitamin A, B und C. Außerdem enthalten sie viele wichtige Mineralstoffe wie Kalium, Magnesium, Calcium und Eisen.“
Die Matunda-Mema-Angestellten haben gute Arbeitsbedingungen
Damit die Trockenananas ihre hervorragende Qualität über einen sehr langen Zeitraum behalten, verwendet Matunda Mema zum Verpacken spezielle Plastiktüten. Verpackt wird das Dörrobst von Hand als Bulk-Ware sowie in 100-Gramm-Endverbraucher-Tüten, wobei die 22 Festangestellten bei Matunda Mema rotierend in den Bereichen Anlieferung, Verarbeitung und Verpackung eingesetzt werden. Alle erhalten einen guten Lohn, jährlich 28 Tage bezahlten Urlaub sowie Verköstigung im Betrieb. „Außerdem gibt es noch die Fair-Trade-Prämie, die wir zur Verbesserung des Lebensstandards der Familien einsetzen. Ob Bauernfamilien oder Beschäftigte in der Trocknungsanlage, alle bekommen eine Latrine, einen Wassertank und Wasserfilter, Solarpanels und einen Energiesparofen. Außerdem haben alle eine Krankenversicherung, die für eine Familie bestehend aus Mann, Frau und maximal vier Kindern gilt.“ Fasziniert lauschten wir Veronicas Ausführungen und freuten uns, als sie fragte: „Möchtet ihr abschließend noch unsere Trockenananas probieren?“ Selbstverständlich wollten wir!
Trockenananas von Matunda Mema schmecken klasse!
Wie die frisch geerntete Ananas bei Porotazi, so haben auch die Trockenananas einen fruchtig-süßen Geschmack mit dezent säuerlicher Note, wobei durch die Trocknung das Aroma intensiver ist. Erstaunlich weich in der Konsistenz haben sich die Trockenananas zu einer Lieblingsnascherei bei uns entwickelt. Zu unserer Freude kann man Trockenananas von Matunda Mema auch in Deutschland kaufen, und zwar in Welt- und Bioläden importiert vom deutschen Fair-Handels-Unternehmen Kipepeo, das WFTO-gelabelt ist. Unvorstellbar finden wir, dass man eine ganze Ananas benötigt, um 100 Gramm Trockenananas zu produzieren. Kaum geöffnet, ist so ein 100-Gramm-Tütchen erstaunlich schnell leer …
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