Periodenarmut: Wenn das Geld für Hygieneartikel fehlt

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Während es in Deutschland Tampons und Damenbinden unterschiedlichster Machart gibt, haben weltweit etwa 500 Millionen Frauen keinen Zugang zu hygienischen Menstruationsprodukten. Das Thema Periodenarmut schlich sich auf einem Volksfest in Tansania völlig unvermittelt, aber auf einer sehr persönlichen Ebene in mein Leben.

Seit 1991 reise ich in den Globalen Süden. Ob in Lateinamerika, Afrika oder Asien, ich habe schon viel Zeit meines Lebens in abgelegenen Dörfern verbracht, die nicht ans Stromnetz und die Wasserversorgung angeschlossen sind. Anstelle hygienischer Flachspültoiletten gibt es Plumpsklos ohne Wasserspülung. Anstatt sich warm zu duschen, schüttet man sparsam kaltes Wasser über den Körper, das zuvor mühsam vom Dorfbrunnen heran geschleppt wurde. Egal wie rudimentär die Sanitäranlagen, Frauen bluten einmal im Monat! Wie oft saß ich Bäuerinnen, Kunsthandwerkerinnen, Gesundheits- und Sozialarbeiterinnen lächelnd gegenüber, während ich unter Regelschmerzen litt und mein Menstruationsblut von aus Deutschland mitgebrachten Tampons und Binden aufsaugen lies. Es gibt angenehmere Orte, seine Tage zu haben. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich in den marginalisierten Landgemeinden nie mit meinen einheimischen Freundinnen, Arbeitskolleginnen und Interviewpartnerinnen über ihre und meine Periode unterhalten habe. Tabuthema Menstruation!

Auf dem Nane Nane Volksfest gibt es alles, was Bauernfamilien benötigen

Im August letzten Jahres waren wir in der abgeschiedenen Kagera-Region im äußersten Nordwesten Tansanias und haben in Bukoba den Nane Nane Day gefeiert. Das ist der Tag der Bauern und er wird im ganzen Land am achten Achten zelebriert, denn 65 Prozent der tansanischen Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Auf der begleitenden Landwirtschaftsmesse haben wir Hacken, Imkerzubehör und Trockengestelle für Kaffee bestaunt. Unser Blick blieb an kleinen Solarpanels, Gaskochern und Tanks zum Auffangen von Regenwasser hängen. Man konnte alles kaufen, was Kleinbauernfamilien benötigen: Gebrauchte Schuhe, Second-Hand-Kleidung, Töpfe und acht Teller zum Preis von fünf! Wichtiger als die Messe- und Verkaufsstände aber war der Rummel: ein manuell betriebenes Karussell für die Kleinen, Glücksspiele für die Großen, Bier, Softdrinks, laute Musik, frittierte Hähnchen, Pommes, Gedränge, Lachen und eine allgegenwärtige Tanzgruppe, die Werbung für schnelles 4G-Internet machte. Mir schwirrte irgendwann der Kopf und ich suchte ein ruhiges Plätzchen am Rand des Festtagsgeländes. Kaum stand ich unter dem Schatten spendenden Vordach einer unscheinbaren Hütte, machten drinnen vier junge Frauen auf sich aufmerksam und luden mich ein, hereinzukommen.

Versteckt wird Werbung für wiederverwendbare Damenbinden gemacht

„Wir sind Mitarbeiterinnen der Nichtregierungsorganisation Humuliza und promoten wiederverwendbare Damenbinden, die das Leben von Kleinbäuerinnen und Schülerinnen erheblich erleichtern. In den abgelegenen Dörfern der Kagera-Region kann man keine Hygieneartikel wie Einweg-Tampons und Einweg-Binden kaufen. Und wenn doch, dann sind sie so teuer, dass sie sich niemand leisten kann. Weißt du, mit was sich die Frauen behelfen? Sie stecken sich alte Stofflappen, Zeitungspapier oder Gräser zwischen die Beine. Ständig haben sie Angst, dass nicht alles Blut aufgesaugt wird und ihre Kleidung befleckt. Außerdem sind die Ersatzmaterialien weder bequem noch hygienisch und es kommt immer wieder zu Infektionen“, unterrichtete mich die Sprecherin des Quartetts. Ich war perplex. Mit dem Thema Menstruation hatte ich beim Betreten der kleinen Hütte nicht gerechnet und wollte wissen, warum sich der Humuliza-Stand nicht inmitten des Festtagesgeschehens befindet? „Regelblutung und Periodenarmut sind in Tansania Tabuthemen. Wir sind froh, auf dem Nane Nane Day mit unserem Anliegen überhaupt vertreten zu sein. Wir freuen uns über jede Frau, die wir erreichen, denn wir sind sicher, dass sie ihren Freundinnen von den wiederverwendbaren Damenbinden erzählen wird und sie so immer größere Bekanntheit und Verbreitung erreichen.“

Die wiederverwendbaren Damenbinden sehen nicht wie Menstruationsprodukte aus

Hergestellt werden die wiederverwendbaren Damenbinden in Tansania und sie sind mit 10.000 tansanischen Schilling (3,60 Euro) für acht Stück erschwinglich. Sie bestehen aus zwei Stoffen: innen aus flauschiger Baumwolle und außen aus einem festen, bunt bedruckten, afrikanischen Kitenge-Stoff. „Nach Gebrauch weicht man die Binden über Nacht in Wasser ein, wäscht sie mit Seife aus und hängt sie dann in die Sonne zum Trocknen. Damit sich die Frauen nicht schämen, ihre Binden zu waschen, sind sie nicht klinisch weiß, sondern bunt. So sehen sie nicht wie Menstruationsprodukte aus“, ließ mich die Muslima unter den Humuliza-Mitarbeiterinnen wissen. „Im Übrigen kann man die Binden bis zu drei Jahre verwenden und sie sind umweltfreundlich!“

Weltweit sind 500 Millionen Frauen von Periodenarmut betroffen

Ins Gespräch vertieft tauchten vor meinem inneren Auge auf einmal Herminia, Sonia, Adugpota und Indrani auf, vier Frauen, die ich auf meinen Reisen besonders lieb gewonnen habe und die in El Salvador, Peru, Ghana und Sri Lanka in abgelegenen Landgemeinden wohnen. Warum habe ich sie nie gefragt, wie sie ihre Periode erleben, obwohl wir viel Zeit miteinander verbrachten und Freundinnen wurden? Bei allen Vieren bin ich mir sicher, dass sie keine Möglichkeiten und finanziellen Mittel haben, Tampons und Binden zu kaufen. Den fehlenden Zugang zu hygienischen Menstruationsprodukten bezeichnet man als Periodenarmut. Weltweit sind davon etwa 500 Millionen Frauen betroffen. Erschwerend kommt für die meisten hinzu, dass ihnen während ihrer Periode weder sauberes Wasser noch abschließbare Toiletten zur Verfügung stehen.

Die Menstruation muss enttabuisiert werden

Kostengünstig oder umsonst angeboten ermöglichen wiederverwendbare Damenbinden ein besseres Leben: Mädchen fehlen während ihrer Menstruation seltener in der Schule und Frauen gehen unbeschwerter ihren Alltagsaufgaben nach, weil sie sich sicherer fühlen und einem geringeren Krankheitsrisiko ausgesetzt sind. Zum verbesserten Zugang zu nachhaltigen Hygieneartikeln ist eine Enttabuisierung der Menstruation unerlässlich, so dass sich Frauen ohne Scham über ihre Periode unterhalten und Werbekampagnen für wiederverwendbare Damenbinden nicht am Rand, sondern inmitten beliebter Volksfeste stattfinden. In Tansania beispielsweise sind 65 Prozent der Frauen von Periodenarmut betroffen!

Im Übrigen kommt Periodenarmut nicht nur in Lateinamerika, Afrika und Asien vor, sondern auch in Europa. In Deutschland haben rund 100.000 Obdachlose nicht genügend Geld, um sich Menstruationsprodukte zu kaufen, und 25 Prozent der Frauen empfinden ihre monatlichen Ausgaben für Tampons, Damenbinden und Schmerzmittel als finanzielle Belastung.

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