Kräftig, dunkel, fair: Tansanischer Tee

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Tansania gehört zu den kleinen Teenationen dieser Erde. Es wird vor allem Schwarzer Tee hergestellt und in alle Welt exportiert. Vom Fairen Handel profitieren Teebauernfamilien im Süden des ostafrikanischen Landes. Gleichzeitig leiden sie unter den Folgen von zunehmender Hitze und ausbleibendem Regen.

In Tansania ist die Adventszeit Teeerntezeit und wir waren Anfang Dezember 2022 vor Ort, um Fotos vom Teepflücken und der Teeherstellung zu machen. Kaum dass wir in Edina Rubens Teegarten eintrafen, begann es zu nieseln. Welch ein Unglück! Bei Nieselregen toll die Teeernte zu fotografieren, ist gar nicht so einfach. Mama Edina hingegen strahlte über beide Backen und jubilierte: „Gott sei Dank, es regnet! Eigentlich fängt die Regenzeit im November an. Dieses Jahr hat es im November gar nicht geregnet. Es ist viel zu trocken. Wir ernten viel zu wenig Tee.“

Trockenheit schränkt das Wachstum der Teeblätter ein

Laut deutschem Lebensmittelbuch stammt Tee aus den Blättern, Blattknospen oder zarten Stielen des Teestrauches Camellia sinensis und dieser benötigt für ein ideales Wachstum Wärme am Tag, Abkühlung bei Nacht, eine gewisse Luftfeuchtigkeit und Höhenlage. Früher waren im 1.500 Meter hoch gelegenen Tukuyu, wo Mama Edina wohnt, die Teeanbaubedingungen ideal. Zwischenzeitlich macht sich aber der Klimawandel bemerkbar: Die Trockenzeiten dauern länger und die Temperatur nimmt zu. Durch Hitze verliert Tee seine Aromen. Das Blattwachstum ist eingeschränkt. In zu intensiver Sonne verbrennen Teeblätter. Projektionen gehen davon aus, dass in Ostafrika im Jahr 2050 auf 40 Prozent der heutigen Teeanbauflächen Camellia sinensis nicht mehr wachsen wird, wenn der Klimaschutz nicht gelingt.

Die Briten machten tansanischen Tee marktfähig

Die ersten Samen der Camellia sinensis wurden in Tansania während der deutschen Besetzung (1890-1918) ausgesät. Die Teequalität war jedoch schlecht, bis die Briten während ihrer Besetzung (1920-1961) tansanischen Tee marktfähig machten. Zunächst in den Händen kolonialer Siedler, wurde der Teesektor mit der Unabhängigkeit Tansanias geöffnet. In diese Zeit fällt Mama Edinas Berufsstart als Teebäuerin: „Mein Mann hat in der örtlichen Teefabrik gearbeitet. Damals, in den 1960er Jahren, gab es zu wenig Tee. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, Tee anzubauen. Daraufhin haben mein Mann und ich mit dem Teeanbau begonnen. Mein Mann ist vor ein paar Jahren gestorben. Nun bin ich die alleinige Besitzerin des Teegartens. Er misst einen Hektar.“

Two leaves and a bud

Aus Alters- und Gesundheitsgründen erntet Mama Edina ihren Tee nicht mehr selbst. Sie engagiert Saisonarbeiterinnen, die von den Sträuchern die Blattknospen mit ihren beiden dazugehörigen Blatttrieben zupfen. „Two leaves and a bud“ nennt man die Pflückung, aus der Qualitätstee in der Fabrik der Wakulima Tea Company (WATCO) hergestellt wird. Das Unternehmen ist zu 70 Prozent in Privatbesitz und 30 Prozent gehören 12.259 Kleinbauern und -bäuerinnen, von denen eine Mama Edina ist: „Ich bin Mitglied der Rungwe Smallholders Tea Growers Association (RSTGA). Das ist eine von acht Einzelkooperativen, die zusammen das Rungwe and Busokelo Tea Cooperative Joint Enterprise (RBTC-JE) bilden. Insgesamt sind wir etwa 7.400 Teebauern und 4.900 Teebäuerinnen und RBTC-JE ist Anteilseigner von WATCO.“

Die geernteten Teeblätter müssen tagesgleich weiterverarbeitet werden

Als Fairtrade-zertifiziertes Unternehmen führt WATCO Fortbildungen und Beratungen für die RBTC-JE-Mitglieder durch und kauft deren grüne Teeblätter zu einem guten Preis auf. Aus 118 weit verstreuten Dörfern bringen LKWs die Ernte von Kleinbäuerinnen wie Mama Edina zur WATCO-Teefabrik, wo uns deren Manager Obadiah Ngobola herzlich begrüßte: „Karibu. Willkommen. Ich werde euch heute in die Teeherstellung einweihen. Tee ist ein sensibles Produkt. Deshalb müssen die frisch geernteten Teeblätter noch am selben Tag weiterverarbeitet werden. Bitte zieht noch schnell Schutzkleidung an und dann gehen wir ins Fabrikgebäude hinein.“

WATCO produziert Tee mit der CTC-Methode

Auf langen Gestellen lüften Ventilatoren die erntefrischen Teeblätter, bevor sie in eine riesige Halle auf eine sehr lange Arbeitsstraße transportiert werden. „Wir produzieren ausschließlich Schwarzen Tee mit der CTC-Methode. C steht für Crushing (Zerdrücken), T für Tearing (Zerreißen) und C für Curling (Rollen) und genau das geschieht hier,“ erklärte uns Obadiah stolz. Wir mussten an unseren Besuch der KTE-Teefabrik in Nepal denken, wo Tee mit der orthodoxen Methode produziert wird. Während bei der orthodoxen Methode Menschen die meiste Arbeit verrichten, kommen bei der CTC-Methode vor allem Maschinen zum Einsatz:

  • Die Rotorvane-Maschine zerdrückt die Blätter, um die Zellwände aufzubrechen.
  • Die CTC-Bank besteht aus großen Walzen mit scharfen Zähnen, die das Blattgut in feinste Teilchen zerreißen.
  • Der Rotaring Sifter ist ein rotierender Blechzylinder, in dem die zerkleinerten Teeblätter zu Kügelchen gerollt werden.

Anschließend werden die Kügelchen noch fermentiert, mit Heißluft getrocknet und maschinell sortiert, wobei es CTC-Tee in drei verschiedenen Blattgraden gibt:

  • Broken-Tees der Sortierungen Broken Orange Pekoe (BOP) und Broken Pekoe (BP)
  • Fannings der Sortierungen Pekoe Fannings (PF) und Fannings (Fngs)
  • Dust der Sortierungen Pekoe Dust (PD) und Dust (D)

Aus Fannings und Dust wird Beuteltee gemacht

„Die CTC-Methode ist global weit verbreitet und in Ostafrika wird Schwarzer Tee fast ausschließlich so produziert. Im Vergleich zum orthodoxen ist das CTC-Verfahren zeitsparend und kostengünstig. Unsere hochwertigen Broken-Tees kommen in der Regel lose in den Handel. Unsere Fannings und Dusts hingegen eignen sich hervorragend für Teebeutel,“ begeisterte sich Obadiah, während er uns in den Verkostungsraum führte. Wir durften unterschiedliche Schwarze Tees probieren und stellten fest: je kleiner der Blattgrad, desto kräftiger der Tee! Besonders gut hat uns ein Broken Orange Pekoe pur geschmeckt sowie ein Pekoe Fannings verfeinert mit Milch.

Mama Edina hat zwei Standbeine: Tee und Schweine

WATCO exportiert 95 Prozent des Tees ins Ausland und zwar nach Russland, Europa und Asien. Die verbleibenden fünf Prozent sind für die WATCO-Angestellten und RBTC-JE-Mitglieder. So erhalten alle 400 WATCO-Angestellten pro Halbjahr ein Kilogramm Tee in PF-Qualität. Und RBTC-JE verkauft zu einem günstigen Preis an seine Mitglieder einen extra abgepackten Tee mit dem Namen Chai Malfyale. Wir hatten bei Mama Edina die Gelegenheit, Chai Malfyale zu trinken. Sie erhitzte in ihrer einfachen Küche Wasser über dem offenen Feuer, gab kleine Teekügelchen hinein, ließ das Ganze drei Minuten ziehen und servierte uns dann ein aromatisches, cognacfarbenes Heißgetränk. „Dank des Fairen Handels kann ich nicht nur meinen Tee zu einem ordentlichen Preis verkaufen, ich besitze auch Schweine! Alle RBTC-JE-Mitglieder haben Schweine erhalten, um eine Schweinezucht und damit ein zweites Standbein aufzubauen. Mit den Einnahmen aus dem Schweineverkauf kann ich die Schulgebühren für meine Enkelkinder bezahlen und Medikamente kaufen. Außerdem habe ich ein neues Haus gebaut,“ freute sich Mama Edina.

CHAI FM sendet Deutsche Welle auf Suaheli

Neben der Unterstützung seiner Mitglieder fördert RBTC-JE das Gemeinwohl. In den 118 Teedörfern werden Gesundheitsposten errichtet, Schulen ausgestattet, Wassertanks installiert und die Menschen informiert. Es gibt nämlich den unternehmenseigenen Radiosender CHAI FM, der auch in weit entlegenen Gebieten empfangen werden kann. Er sendet Tipps zum Teeanbau, lokale Nachrichten, nationale Neuigkeiten und täglich drei Stunden Deutsche Welle. Deutschlands Auslandsrundfunk ist seit Mitte der 1960er Jahre auf Suaheli on air und stellt sein Programm CHAI FM kostenfrei zur Verfügung. Mama Edina meinte, das hätte irgendetwas mit der deutschen Vergangenheit in Tukuyu zu tun.

Tukuyu hieß früher Neu-Langenburg

Den Zusammenhang zwischen deutscher Besetzung, CHAI FM und Deutscher Welle konnten wir nicht verifizieren. Sicher jedoch ist, dass Tukuyu, wo RBTC-JE seinen Sitz und Mama Edina ihr Zuhause hat, früher Neu-Langenburg hieß und 1901 als deutsche Kolonialstadt gegründet wurde. Egal wo, wir wurden überall warmherzig empfangen. Nirgends spürten wir wegen der deutschen Kolonialgeschichte negative Schwingungen. Im Gegenteil: Lebi Gabriel, der Geschäftsführer von RBTC-JE, zeigte uns in Tukuyu halb verfallene deutsche Kolonialgebäude und hob hervor, dass die Deutschen während ihrer Besetzung den Bau von Eisenbahnstrecken und Telegrafenstationen stark vorantrieben. Außerdem haben ein paar deutsche Wörter Eingang ins Suaheli gefunden, zum Beispiel shule (Schule) und mashine (Maschine). Der Begriff chai (Tee) dagegen stammt aus dem Hindi und kam mit indischen Händlern nach Tansania.

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