Zu Gast bei Vanillebauer Gedara

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Vanille ist als Gewürz und Aphrodisiakum sehr begehrt. Ihre Herstellung bedarf allerdings enormen Aufwands. Deshalb wundert es nicht, dass Vanille das zweitteuerste Gewürz der Welt ist und die Lebensmittelindustrie eine Alternative entwickelt hat: synthetisches, billiges, gesundheitsschädigendes Vanillin.

„Wir müssen die Vanilleblüten von Hand bestäuben. Dazu nützen wir ein kleines Stäbchen. Mit ihm schlitzen wir die Blüten auf und verbinden den männlichen Pollen mit der weiblichen Narbe. Das ist ganz schön aufwändig. Vanilleblüten blühen nur zwölf Stunden und in dieser Zeit müssen sie bestäubt werden. Bei uns auf Sri Lanka ist im März Vanilleblüte und dann bin ich täglich zum Bestäuben bei meinen Pflanzen“, erklärte uns Gedara Senevirathna, als wir ihn im Januar dieses Jahres in seinem verwunschenen Gewürzgarten besuchten. Er bewirtschaftet zwei Hektar Land und ist Mitglied der sri-lankischen Fair-Handels-Organisation PODIE.

Vanille stammt aus Mexiko

In Europa ist Vanille seit der Entdeckung Amerikas bekannt. Sie stammt aus Mexiko, wo Kolibris und langrüsslige Bienen die Blüten bestäuben. Weil diese natürlichen Bestäuber ausschließlich in Mittelamerika vorkommen, schlugen drei Jahrhunderte lang alle Versuche fehl, das kostbare Gewürz auch in anderen tropischen Ländern zu produzieren. Erst 1837 gelang es, den Fortpflanzungsmechanismus der Vanille aufzuklären und die erste künstliche Bestäubung per Hand durchzuführen. Heute sind Madagaskar, die Komoren und Réunion die wichtigsten Anbaugebiete, wobei es in Abhängigkeit von der Herkunft unterschiedliche Vanillesorten gibt. Die drei wichtigsten sind:

  • Mexiko-Vanille, die in Mittelamerika angebaut wird und die Mutter aller Vanillesorten ist. Sie hat einen weichen, süßlichen Geschmack und den typischen Vanillegeruch.
  • Bourbon-Vanille, die vor allem auf Madagaskar, den Komoren und Réunion (früher Île Bourbon) kultiviert wird und über 80 Prozent der Welt-Vanilleernte ausmacht. Sie ist aromatisch, hat einen leicht schokoladigen Geschmack und ebenfalls den typischen Vanillegeruch.
  • Tahiti-Vanille, die von der Südseeinsel Tahiti kommt und sehr intensiv, blumig und frisch im Geschmack ist. Wegen ihres geringen Vanillingehalts galt sie lange Zeit als minderwertig. In den letzten Jahren wird sie verstärkt von Sterneköchen in der gehobenen Gastronomie verwendet. Sie ist aktuell die teuerste aller Vanillesorten.

PODIE hat Gedara Vanillestecklinge geschenkt

Auf Sri Lanka spielt der Vanilleanbau eine untergeordnete Rolle und er ist auch für Gedara ein neues Metier. „Früher habe ich nur Kardamom produziert. Vor ein paar Jahren hat uns dann PODIE gezeigt, wie man Vanille anbaut und wir haben Stecklinge erhalten. Nun bin ich nicht mehr von einem einzigen Gewürz abhängig und ich habe ein zusätzliches Einkommen“, ließ uns Gedara voller Begeisterung wissen.

Streng genommen müssten Vanilleschoten Vanillekapseln heißen

Vanillepflanzen gehören zur Familie der Orchideengewächse. In Gedaras Garten ranken sie an Wirtsbäumen drei Meter in die Höhe. Ihre bestäubten Blüten entwickeln sich innerhalb neun Monaten zu 15 bis 20 Zentimeter langen Kapseln, die unzählige Samen enthalten. Die Samenkapseln, umgangssprachlich Vanilleschoten genannt, werden kurz vor der Reife geerntet, wobei auf Sri Lanka im Dezember und Januar Erntezeit ist. Gedara hat unseren Besuch genutzt und die letzten Vanilleschoten der Saison vorsichtig mit einer Schere von seinen Pflanzen abgeschnitten. Die geerntet Schoten müssen nämlich innerhalb 24 Stunden zur Weiterverarbeitung in die PODIE-Zentrale in Negombo. Sein Dorf Rojesangama ist 140 Kilometer von Negombo entfernt und er konnte uns seine Ernte mitgeben, weil wir mit Kasun Apponso unterwegs waren. Er ist bei PODIE Produktmanager und hat Gedara die frische Ernte im Auftrag der Fair-Handels-Organisation abgekauft. Der Preis für Vanille ist abhängig von der Qualität. Lange Schoten bringen mehr Geld ein als kurze!

Vanilleschoten werden gebogen, geglättet und massiert

In der PODIE-eigenen Verarbeitungsanlage werden die frisch geernteten Vanilleschoten kurz mit Wasser überbrüht und dann in luftdichten Behältern fermentiert. Danach folgt ein drei Monate dauernder Trocknungsprozess, bei dem die fermentierten Schoten tagsüber in der Sonne und nachts in einem gut belüfteten Raum liegen. In dieser Zeit muss jede einzelne Schote regelmäßig gebogen, geglättet und massiert werden, so dass sie biegsam bleibt und beste Qualität entsteht. Beim Fermentieren und Trocknen färben sich die Schoten schwarzbraun und es entsteht Vanillin, das den Schoten ihren typischen Vanillegeschmack gibt.

Weiße Vanillinkristalle sind ein Zeichen für höchste Qualität

Bevor PODIE die Vanilleschoten verkaufen kann, müssen sie weitere drei Monate ruhen. Das bedeutet, dass von der bestäubten Blüte bis zum küchenfertigen Produkt 15 Monate vergehen. PODIE bringt Vanille als ganze Schoten auf den Markt. Sie sind luftdicht in Glasröhrchen verpackt, damit sie ihr feines Aroma lange behalten. Frische Vanilleschoten erkennt man daran, dass sie ölig-glänzend, elastisch und von ledriger Konsistenz sind. Befinden sich an der Oberfläche weiße Vanillinkristalle, handelt es sich um Vanilleschoten von besonders hoher Qualität. Sie sind zwei Jahre haltbar und sollten kühl, dunkel und fest verschlossen gelagert werden. Neben ganzen Vanilleschoten gibt es im Handel auch

  • Vanillepulver, das zu 100 Prozent aus getrockneten, gemahlenen Vanilleschoten besteht.
  • Vanillezucker, der eine Gewürzzubereitung aus Zucker und getrockneten, fein zerkleinerten Vanilleschoten ist.
  • Vanillekavier, bei dem es sich um das frische Mark der Vanilleschoten handelt.
  • Vanilleextrakt, das ein flüssiger Auszug aus Vanilleschoten ist und einen Alkoholgehalt von etwa 35 Prozent hat.

Seit dem 19. Jahrhundert gibt es synthetisches Vanillin

Wegen der Handbestäubung und aufwändigen Verarbeitung ist Vanille nach Safran das zweitteuerste Gewürz der Welt. Gleichzeitig ist sie knapp, denn es werden weltweit nur 7000 Tonnen Vanille pro Jahr produziert. Das genügt bei weitem nicht, um den Welthunger nach Vanillin zu stillen. Es aromatisiert nämlich industriell hergestellte Mischprodukte wie Schokoladen, Eiscremes, Kekse, Fruchtjoghurts, Puddings, Liköre und Erfrischungsgetränke. Wegen ihres hohen Preises und großen Bedarfs wurden bereits im 19. Jahrhundert synthetische Herstellungsverfahren für Vanillin entwickelt. In der Anfangszeit wurde künstliches Vanillin aus Eugenol hergestellt, das in hoher Konzentration in Gewürznelken enthalten ist. Heute wird es entweder aus dem Pflanzenstoff Guajacol synthetisiert oder aus Lignin gewonnen, einem Abfallprodukt der industriellen Papierherstellung.

Synthetisches Vanillin ist ein Nervengift

Synthetisches Vanillin ist äußerst günstig und deckt über 90 Prozent des weltweiten Vanillinbedarfs. Erschreckend ist, dass synthetisches Vanillin nicht nur ein Aromastoff, sondern auch ein Nervengift ist. Es kann Konzentrationsschwächen hervorrufen, das Erbgut schädigen und die Entstehung von Krebs begünstigen. Wir achten beim Kauf von Eiscremes und Schokoladen deshalb darauf, dass sie ausschließlich mit natürlicher Vanille hergestellt wurden. Nach der EU-Aromaverordnung ist das gewährleistet, wenn auf der Verpackung die Kennzeichnung „mit Bourbon-Vanille“, „mit echter Vanille“ oder „mit Vanille“ steht.

An schwarzen Pünktchen erkennt man natürliche Vanille

Wir kochen fast täglich, oft aufwändig und haben großen Spaß daran! Vanille nützen wir allerdings nur selten zum Würzen. Rezepte für Geflügel- und Fischgerichte, die mit Vanille verfeinert werden, haben wir nicht. Irgendwie hat sich das bislang nicht ergeben. Und Vanillekipferl, Panna cotta, Pudding, Milchreis, Kuchen oder Apfelstrudel mit Vanillesauce bereiten wir so gut wie nie zu. Wenn es aber doch mal vorkommt, nützen wir ganze Vanilleschoten, wobei sich das begehrte Gewürz im Inneren der Kapseln befindet. Deshalb muss man die Vanilleschoten mit einem spitzen Messer aufschlitzen und dann das Mark sorgfältig auskratzen. Der sogenannte Vanillekaviar zersetzt sich beim Kochen in viele winzige, schwarze Pünktchen, die den Speisen den typischen Vanillelook verleihen. An ihnen erkennt man, dass natürliche Vanille verwendet wurde.

Schon im alten Mexiko galt Vanille als Aphrodisiakum

Eine vollständig fermentierte Vanilleschote enthält über 30 aromatische Bestandteile, von denen Vanillin mit zwei bis drei Prozent der wichtigste ist. Das kostbare Gewürz ist nicht nur bei Köchen, Patissièren, Chocolatiers, Konditorinnen und Fooddesignern begehrt. Es soll auch Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Ekzeme heilen, die Verdauung anregen, eine Anti-Krebs-Wirkung haben, die Stimmung aufhellen, gegen Menstruationsbeschwerden wirken und die Potenz steigern. Bereits vor 4000 Jahren haben sich die Ureinwohnerinnen Mexikos am ganzen Körper mit Vanillemark eingerieben, um so ihre Männer zu betören. Tatsächlich ist Vanillin chemisch eng verwandt mit den natürlichen Sexuallockstoffen des Menschen. Deshalb findet es sich auch in Parfüms, Körperlotionen und Duftkerzen.

 

Nach Blogposts zu den Themen Gewürze, Zimt, Muskatnuss, Pfeffer, Kurkuma, Kardamom und Gewürznelken ist dieser Vanille-Artikel der letzte Blogbeitrag einer achtteiligen Gewürzreihe.

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