Vom Schössling bis in den Weltladen: Bananen

mit Keine Kommentare

Bis BanaFair-Bananen verführerisch-gelb im Weltladen zum Kauf angeboten werden, haben sie einen langen Weg hinter sich: Sie werden in Ecuador knallhart-grün geerntet und drei Wochen gekühlt nach Deutschland verschifft. Zur süßen, mineralstoffreichen, leicht bekömmlichen, äußerst beliebten Frucht entwickeln sie sich in riesigen Reifekammern in Karlsruhe.

Als ich vor zwölf Wochen bei Yony Yanzaguano in Ecuador war, habe ich ihn nach seinen Zukunftswünschen gefragt. Spontan antwortete er: „Ich wünsche mir, dass ich das, was ich mit meiner Familie aufgebaut habe, halten kann. Gemeinsam bewirtschaften wir unsere kleine Finca. Unsere Bananen sind bio-zertifiziert und wir erhalten Dank des Fairen Handels einen ordentlichen Preis. Wir haben ein Haus und einen Gemüsegarten. Ich bin zufrieden.“ Irritiert habe ich Yony angeschaut, denn eine so hohe Lebenszufriedenheit gibt es selten. Einfach schön!

Ich habe bei Eva und Yony übernachtet

Yony ist Bananenbauer. Er lebt im kleinen Dörfchen La Libertad nahe der Stadt Machala, die auch als Ecuadors Bananenhauptstadt bezeichnet wird. Yonys Großfamilie besitzt neun Hektar Land, auf dem Bananen und ein bisschen Kakao kultiviert werden. Von den Einnahmen aus den Exportprodukten leben vier Familien: seine, die seiner beiden Söhne und die seines Schwagers. Mit durchschnittlich 2,25 Hektar Land sind die Yanzaguano-Familien typische Kleinbauern. Um Einblick in den Alltag einer ecuadorianischen Bananenkleinbauernfamilie zu erhalten, hatten mich Yony und seine Frau Eva über Nacht in ihr Haus eingeladen. Es ist solide aus Blocksteinen gebaut, hat ein Wellblechdach, Elektrizität, fließendes Wasser, drei Schlafzimmer und einen offenen Wohn-Ess-Küchenbereich.

Gekochte Bananen sind ganz lecker

Eva schälte in ihrer rot gestrichenen Küche drei quietschgrüne, knallharte Bananen, kochte sie 20 Minuten in Wasser und servierte sie mit Trockenfisch und Reis zum Abendessen. Ihr Geschmack erinnerte mich an Kartoffeln und ich fand sie ganz lecker. „Bei uns gibt es drei Mal täglich gekochte Bananen. Bananen sind unser Leben. Mit ihnen verdienen wir unser Geld. Es ist genug für Essen, Kleidung, Strom, die Bauern-Sozialversicherung und wir können unsere Tochter in die Schule schicken. Vielleicht können wir uns irgendwann einmal eine Waschmaschine leisten. Das würde mir gefallen. Uns geht es gut, auch wenn es sehr viel Arbeit ist, Bio-Bananen zu produzieren“, ließ mich Eva von Frau zu Frau wissen.

Yony baut seine Bananen in Mischkultur an

Jeden Morgen um 6:30 Uhr gehen Eva und Yony auf ihr Bananenfeld. Sie haben mich mitgenommen und ich war von der Artenvielfalt begeistert. Anders als auf den konventionellen Monokultur-Plantagen der Fruchtmultis, die den ecuadorianischen Bananenmarkt kontrollieren, wachsen auf Yonys Bio-Finca neben Bananenstauden auch Kakao-, Orangen- und Papayabäume. „Weil wir nach den Grundsätzen des ökologischen Landbaus arbeiten, bauen wir unsere Bananen in Mischkultur an. Trotzdem müssen wir den Boden düngen. Schau: Wir legen um jede Staude tote Pflanzenteile. Die verrotten und so erhält der Boden Nährstoffe. Das Unkraut jäten wir mit der Machete und wir gehen auch gegen Pflanzenkrankheiten und Schädlinge manuell vor“, dozierte Yony.

Sorge bereitet Yony der Blattpilz Black Sigatoka

Eine Bananenstaude trägt nur einmal im Leben Früchte. Nach der Ernte stirbt sie ab. Zu diesem Zeitpunkt hat sie aber schon einen Schössling hervorgebracht, der den Fortbestand des Feldes sichert. Weil es keine speziellen Aussaat-, Dünge- und Erntezeiten gibt, stehen auf Yonys Feld Bananenstauden jeden Alters. Das bedeutet, dass ganzjährig alle Arbeiten verrichtet werden müssen, wobei zu den wichtigsten Tätigkeiten der Pflanzenschutz gehört. Besondere Sorge bereitet Yony der Pilz Black Sigatoka, der die Bananenblätter absterben und die Früchte zu schnell reifen lässt. Während die konventionellen Plantagen der Fruchtmultis einmal wöchentlich von Flugzeugen aus mit Chemikalien gegen den Blattpilz besprüht werden, schneiden Yony und Eva bereits befallene Blätter mit einem scharfen Messer ab. Das „Entblättern“ ist unglaublich anstrengend, weil sich die Klinge am Ende eines vier Meter langen Stabs befindet. Denn nur so können die Bauern vom Boden aus den Ansatz der bis zu sechs Meter hohen Bananenblätter erreichen.

Plastiksäcke halten Vögel und Insekten fern

Es dauert neun Monate, bis sich ein Schössling zu einer ausgewachsenen Staude entwickelt und einen Blütenstand bildet. Aus diesem geht dann das Kapital der der vier Yanzaguano-Familien hervor: Bananen! Auch Sohn Leonardo ist in den Pflanzenschutz eingebunden. Mithilfe einer Bambusleiter klettert er hoch zu den jungen Fruchtständen, legt Schaumstoffmatten zwischen die heranwachsenden Bananen und überstülpt sie mit Plastiksäcken. Die Kunststoffbeutel schützen die Früchte vor gierigen Vögeln, Schmetterlingen, Würmern und Käfern. Außerdem schaffen sie ein warm-feuchtes Klima, das den Reifungsprozess unterstützt. Die Schaumstoffmatten dienen der Vorbeugung vor Druckstellen und Kratzern, denn Leonardo weiß: „In Deutschland kaufen die Menschen nur makellose Ware!“

Bananen werden unreif geerntet

Vom Überstülpen des Plastiksacks bis zur Ernte der Bananen lässt Yony zehn Wochen verstreichen, wobei ausschließlich montags geerntet wird. Dann schlägt Leonardo mit dem extra-langstieligen Messer gezielt auf die erntebereiten Stauden ein, bis sie einknicken und die plastikumhüllten Fruchtstände langsam auf die Schulter seines Bruders, Schwagers oder Onkels gleiten. Die tragen die etwa 45 Kilogramm schweren Büschel zur Packstation, wo die Plastiksäcke und Schaumstoffmatten entfernt werden. Hervor kommen quietschgrüne, unreife Bananen! Yony schneidet pro Büschel eine der Länge nach auf. Wenn das Fruchtfleisch hart und weiß ist und nach Salatgurke riecht, ist die Qualität perfekt.

Bananen müssen mindestens 14 Zentimeter lang sein

Yonys Aufgabe ist es nun, die riesigen Büschel in Hände mit vier bis acht Bananen zu zerteilen sowie die Früchte zu vermessen. Die Europäische Bananenverordnung regelt nämlich, dass Bananen mindestens 14 Zentimeter lang und 27 Millimeter dick sein müssen. Früchte, die zu kurz, zu dünn oder auch zu gerade oder zu krumm sind, eignen sich nicht für den Export und müssen aussortiert werden. Einen kleinen Teil dieser deformierten, ansonsten aber einwandfreien Ausschussware serviert Eva tagtäglich ihrer Familie gekocht als Beilage zu Trockenfisch, Huhn oder Bohnen. Den großen Teil verkauft Yony für einen geringen Preis auf dem lokalen Markt an DIANA Food in Machala. Das multinationale Unternehmen produziert Bananenpüree und Bananenflocken, die Lebensmittelhersteller weltweit zu Babynahrung, Milchmischerzeugnissen und Getränken weiterverarbeiten.

BanaFair kauft Yonys Bananen

Seine für den Export geeigneten Bananen gibt Yony in ein großes Wasserbecken, um den Latex abzuwaschen, der beim Zerteilen der Büschel aus den Schnittstellen tritt. Danach fischt Eva die Bananen aus dem Wasser und besprüht sie mit einem organischen Fungizid. Abschließend müssen die krummen Früchte mit einem BanaFair-Aufkleber versehen und in genormte Kartons zu je 18 Kilogramm verpackt werden. Jeden Montagnachmittag stehen in der Packstation der vier Yanzaguano-Familien 140 dieser Kartons zur Abholung bereit. Sie sind für den deutschen Markt bestimmt. Handelspartner ist BanaFair.

Yony erhält 11,30 US-Dollar pro Bananenkiste

Weltweit verkaufen die meisten Kleinbauern ihre Bananen mangels anderer Möglichkeiten für einen geringen Preis an die riesigen Fruchtmultis. BanaFair bietet eine Alternative, denn die deutsche Non-Profit-Organisation importiert und vermarktet Bananen zu fairen Bedingungen. Das Ziel ist es, die Lebenssituation kleiner Produzenten zu verbessern und ökologischen Landbau zu fördern. Wichtigster Handelspartner ist seit 1998 der Kleinbauernverband UROCAL (Unión Regional de Organizaciones Campesinas del Litoral) in Ecuador, dem Yony angehört und dessen Präsident er momentan ist. „BanaFair bezahlt an UROCAL pro Bananenkiste 12,70 US-Dollar. Darin enthalten sind 0,40 US-Dollar für die Arbeit von UROCAL und ein US-Dollar Fair-Trade-Prämie, die in Gemeinschaftsprojekte fließt. Wir Produzenten erhalten also 11,30 US-Dollar pro Kiste, von denen uns etwa 8,20 US-Dollar bleiben. Wir müssen ja die Plastiksäcke, Schaumstoffmatten und Kisten kaufen und Zoll entrichten“, klärte mich Yony auf. Er ist mit der Zusammenarbeit mit BanaFair sehr zufrieden. Zum einen bezahlt die Organisation einen ordentlichen Bananenpreis und garantiert eine gewisse Abnahmemenge. Zum anderen unterstützt sie UROCAL bei politischen Aktionen und der Durchführung wichtiger Programme wie Bio-Anbau und Ernährungssicherung.

Wenn eine Finca Gewinn abwirft, wandern die Jugendlichen nicht in die Stadt ab

In den 1970er Jahren gegründet, hat UROCAL heute 284 Mitglieder. Alle sind Kleinbauern und produzieren Bananen und/oder Kakao. UROCAL unterstützt die Bauern bei der Vermarktung ihrer Produkte und vor allem auch beim Umstieg auf ökologischen Landbau. „Dank UROCAL konnte ich meine Bananen von Naturland bio-zertifizieren lassen. Und sie sind auch Fairtrade-gesiegelt. Mit der Fair-Trade-Prämie haben wir die Pflanzenvielfalt auf unseren Feldern vergrößert und Bewässerungssysteme angelegt. Bananen brauchen richtig viel Wasser und ich produziere nun ein Drittel mehr als früher. Es gibt auch eine Gesundheitsvorsorge für uns Bauern und ein Kreditprogramm, das mir bei der Fertigstellung meines Hauses geholfen hat. Außerdem haben wir für den Eigenverbrauch Gemüsegärten angelegt“, erzählte mir Yony begeistert. Ich habe noch angemerkt, dass ich es toll finde, dass seine beiden Söhne in seine Fußstapfen getreten sind und er meinte: „Ja, wenn eine Finca Gewinn abwirft, bleiben die Jugendlichen da. Wenn man jedoch mit dem Bananenanbau kein Geld verdient, gehen die jungen Leute in die Stadt. Bei den meisten UROCAL-Familien ist das zum Glück nicht der Fall!“

Staatliche Kontrolleure prüfen Yonys Bananen

Montags ist nicht nur bei Yony Erntetag, sondern auch bei allen anderen UROCAL-Mitgliedern. LKWs transportieren die empfindlichen Früchte noch am selben Tag von den weit verstreuten Fincas in eine riesige Halle in Machala. Dort prüft ein staatlicher Kontrolleur stichprobenartig die Qualität der Bananen. Ein Buchhalter füllt unzählige Formulare aus. Und dann werden die Bananenkisten aus dem LKW auf Paletten geschichtet und die Paletten mit einem Gabelstapler in Kühlcontainer manövriert. 1080 Kisten passen in einen Container. Jede Montagnacht werden auf Bestellung von BanaFair zwei Container mit Bananen der UROCAL-Bauern gefüllt und zum Hafen in Guayaquil gebracht.

Bananen werden bei 13,3 Grad Celsius nach Deutschland transportiert

Bananen gehören zu den Früchten, die nach der Ernte weiterreifen. Um den Reifungsprozess zu stoppen, werden die quietschgrünen, unreif geernteten Bananen in den Kühlcontainern bei 13,3 Grad Celsius in eine Art Winterschlaf versetzt. Die Überfahrt vom Guayaquiler zum Hamburger Hafen in riesigen Containerschiffen dauert drei Wochen. Dort werden die Container gelöscht, kontrolliert, auf LKWs verfrachtet und zu Bratzler nach Karlsruhe gebracht. Nach meiner Ecuador-Reise habe ich die süddeutsche Firma besucht, denn sie weckt die BanaFair-Bananen sanft aus ihrem Schlaf.

In Karlsruhe reifen Yonys Bananen in riesigen Kammern

Bratzler hat sich auf die Reifung von tropischen Früchten spezialisiert. Palettenweise kommen die BanaFair-Bananen in eine der 20 Reifekammern, die an gigantische Garagen erinnern. 24 Stunden werden sie mit Ethylen begast, einem Phytohormon, das Früchte ab einem bestimmten Reifegrad selbst produzieren. Außerdem wird die Temperatur behutsam auf 18 Grad Celsius hochgefahren: Stärke verwandelt sich zu Zucker. Innerhalb vier bis acht Tagen werden aus den stärkelastigen, quietschgrünen zuckersüße knallgelbe Früchte. „Je höher die Temperatur ist, desto schneller reifen die Bananen. So können wir den Reifungsprozess beschleunigen oder bremsen, wobei die perfekte Auslieferfarbe gelb mit grünen Spitzen ist“, unterrichtete mich Bratzler-Mitarbeiter Hannes Karle.

Von der Ernte bis zur Auslieferung an Weltläden vergehen etwa 30 Tage

Die meisten BanaFair-Bananen gehen an den Bio-Großhandel und 500 Kisten sind für etwa 300 Weltläden in ganz Deutschland bestimmt. Wir wohnen in Frankfurt fünf Gehminuten vom Weltladen Bornheim entfernt. Zu ihm bringt einmal wöchentlich Auslieferer Karl-Heinz Reber eine Kiste der ausgesprochen süßen, vollmundigen, exquisiten BanaFair-Bananen. Sie wurden etwa 30 Tage zuvor auf der Finca von Yony oder eines anderen UROCAL-Mitglieds geerntet.

BanaFair hält Vorträge und macht Kampagnenarbeit

Natürlich sind die Fair-Trade-Bio-Bananen im Weltladen teurer als konventionelle Bananen im Supermarkt. Man weiß aber, dass Kleinbauern wie Yony dank des Mehrpreises ein anständiges Leben führen können und der Bio-Bananenanbau auf Mischkulturfeldern gefördert wird. Ein Obolus fließt auch in Bildungs- und Lobbyarbeit. BanaFair stellt nämlich Infomaterial zu den Bedingungen in der Bananenproduktion zur Verfügung, unterstützt Schulen und hält Vorträge. Außerdem engagiert sich die Organisation im Rahmen der Kampagne „Make Fruit Fair!“ für die Umsetzung von Sozial- und Umweltstandards im Handel mit tropischen Früchten.

 

Ach ja: Ich habe vom 06. bis 15. Mai 2017 an einer Pressereise nach Ecuador teilgenommen, zu der die Kampagne „Make Fruit Fair!“ eingeladen hatte. Sie führte mich und drei weitere Medienvertreter zu UROCAL nach Machala. Ich habe nicht nur sehr anschaulich Yonys Arbeitsalltag erlebt, sondern auch in Gesprächen viel über den konventionellen Bananenanbau in Ecuador und die Kampagne „Make Fruit Fair!“ erfahren. Dazu gibt es mehr im vorherigen Blogpost!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zwölf + 7 =